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Zentrale Einrichtung Prävention und Universitäres Gesundheitsmanagement
Universität zu Lübeck - Im Focus: Wir - Wissen

WISSEN


Arbeit und Gesundheit

In Deutschland gibt es gut 400 Hochschulen mit fast einer dreiviertel Million Beschäftigten – eine davon sind wir. Aktuell sind alle Arbeitswelten im Umbruch, auch die der Hochschulen. Fast alle Arbeitsprozesse sind davon betroffen. Vor allem Wissens-/Interaktionsarbeit beschleunigt sich rasant, wird komplexer, digitaler und intensiviert sich. Das fordert die psychische Gesundheit heraus, wie kaum zuvor.

Arbeitsgesundheit an Hochschulen

Es sind die psychosozialen Anforderungen an Arbeit, die wachsen. Je nach Dauer, Art und Dosis wirken sie anregend oder gefährdend. An Hochschulen unterscheidet man dazu drei Statusgruppen: Forschende, Verwaltungsbeschäftigte und Führungskräfte in Wissenschaft/Verwaltung. Sie alle erleben das unterschiedlich.

Bei „Wissensarbeiter*innen“ wirken vor allem Arbeits-/Zeitdruck, Befristungen und Belohnungsdefizite als psychosoziale Arbeitsrisiken. Im Verwaltungsbereich gefährden soziale Konflikte, Arbeitsklima und Über-/Unterforderung die Arbeitsgesundheit. Dem gegenüber steht die Ressource, interessante Arbeitsinhalte und Gestaltungsspielräume zu haben. Das trifft insbesondere auf Hochschulen zu.

Das Krankheitsgeschehen an Hochschulen wiederum passt zu dem, wie sich Arbeitsunfähigkeiten und Beschwerdebilder in Deutschland entwickeln. Das heißt, die häufigsten Erkrankungen sind auch hier die der Atemwege, Muskel-Skelettsystem und stetig steigend die psychischen Störungen. Vor allem psychische Störungen führen Befragte direkt auf die Arbeitsbedingungen zurück.

Wie es um die psychosozialen Gesundheitsrisiken an der Universität zu Lübeck steht, ist derzeit unklar. Bekannt ist, dass die Arbeitsunfähigkeitsquote einiger Beschäftigter laut Fehlzeitenbericht der Techniker Krankenkasse (TK) 2018 deutlich über dem Branchendurchschnitt lag. Dies betraf TK-versicherte Beschäftigte, sie bilden zirka ein Drittel der Belegschaft. Dabei wies die Gruppe der jüngeren Beschäftigten eine dreifach erhöhte Anzahl an Fehltagen auf.

Die Anzahl an Fehltagen ist ein Indikator für die psychosoziale Arbeitsgesundheit in einem Unternehmen. Allerdings ein (zu)Spätindikator, denn Arbeitsunfähigkeit und Krankheit stehen am Ende eines Prozesses. Auch demotivierte Beschäftigte tun einem Unternehmen nicht gut. Laut Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin kostet ein Fehltag durchschnittlich 400 Euro.

Gefährdungsbeurteilung in Deutschland

Die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen gehört in Deutschland zum Arbeits- und Gesundheitsschutz. Sie gilt als DAS Schlüsselinstrument der betrieblichen Gesundheitsprävention. Laut Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG §5 Absatz 6 ) ist jeder Arbeitgeber in Deutschland verpflichtet, sie regelmäßig und gemeinsam mit den Beschäftigten durchzuführen. Sie bearbeitet präventiv physische und psychische Arbeitsbedingungen.

Während sich um physische Arbeitsrisiken Regelwerke und Strukturen festigten, scheuen sich bis heute viele Organisationen psychische Arbeitsrisiken anzuschauen. Das zeigt sich im niedrigen Umsetzungsgrad quer über alle Branchen und Settings in Deutschland.

Je nach Datenquelle schwankt das Umsetzungsniveau zwischen 17-30 Prozent. Umgekehrt bedeutet das, etwa 70 Prozent ignorieren arbeitsbedingte psychosoziale Gesundheitsrisiken. Über Hochschulen in Deutschland gibt es dazu kaum Daten. Aktuelle Studien zeigen einen ähnlich schwachen Umsetzungsgrad.

Arbeitsgesundheit wirkt

Der Einfluss der Arbeitsgestaltung auf Gesundheit und Leistungskraft ist gut belegt. Es gibt starke Hinweise, dass hohe psychosoziale Arbeitslasten Krankheitsrisiken erhöhen, z.B. für koronare Herzkrankheit und Depression. Umgekehrt lässt sich an manchen Beschwerden ablesen, an welche Arbeitsbedingungen es hakt. So z.B. treten zu behandelnde Rückenschmerzen konstant dort auf, wo Handlungsspielräume in der Arbeit eingeschränkt sind. Unterstützende Führung hingegen erhöht systematisch das Wohlbefinden. Die Art der Arbeit und Arbeitsorganisation wirkt dabei stärker als die Person an sich.

Ziel der Gefährdungsbeurteilung ist, kritische Arbeitsfaktoren zu finden und zu ändern - bevor sie schädigen. Definierte Grenzwerte, wie bei Laborarbeit oder Lastenheben, gibt es nicht. Was es gibt, sind Schlüsselfaktoren, die sich in Wirkungsstudien quer über alle Tätigkeiten und Berufe hinweg als bedeutsam zeigen. Und, es gibt typische Handlungsfelder für psychische Gesundheit. Beides zusammen bildet die Achse, um die sich in der psychosozialen Gefährdungsbeurteilung alles dreht – im Beurteilen wie im Gestalten.

Typische Handlungsfelder

  • Arbeitsorganisation
  • Arbeitsinhalte
  • Arbeitsumfeld
  • Führung & soziale Interaktion
  • Andere Arbeitsformen

Schlüsselfaktoren

  • Arbeitsintensität
  • Handlungsspielraum
  • Führung
  • Arbeitszeit
  • Emotionsarbeit

Wirkung erklären

Um zu verstehen, wie Arbeitsbedingungen auf Gesundheit wirken, hat die Forschung Modelle entwickelt. Je nach Fokus erklären sie eher, welche Belastungsrisiken wirken oder wie Stress entsteht. Unternehmensfaktoren spielen in Modellen kaum eine Rolle, obwohl sie einflussreich sind. Wir nutzen eines, dass das erlaubt.

Wie sich die Arbeitssituation hier an der Universität gesundheitlich auswirkt, ist aktuell unklar. Das Forschungsprojekt möchte diese Frage beantworten. Dazu nutzen wir ein modernes Wirkungsmodell, das Job Demands-Resources Model. Job Demands meint Arbeitsanforderungen und Job Resources die Arbeitsressourcen. Beide zusammen bilden die Bedingungen, unter denen wir arbeiten.

Das Besondere an dem Modell ist, dass es beides gleich gut im Blick hat: die Ressourcen und Anforderungsrisiken. Beide wirken unabhängig voneinander und doch aufeinander ein - sie wirken auf Arbeit, Gesundheit und Organisation. Diese Idee schlägt im Herzen des Modells. Es ist ein etabliertes und empirisch geprüftes Erklärungsmodell mit zuverlässiger Aussagekraft.

Die im Modell benannten Anforderungen meinen alles, was dem Erfüllen von Aufgaben dient. Sind sie dauerhaft anstrengend, werden sie zu Risikofaktoren. Im Modell wirken sie über den Pfad der Gesundheitserosion, hier Gesundheitsgefährdung genannt. Der Pfad erklärt, wie z.B. chronisch hohe Anforderungen zu Stress und Burnout führen. Das wirkt insgesamt negativ auf Gesundheit.

Ressourcen hingegen erleichtern das Erreichen von Arbeitszielen und sie reduzieren oder mildern hohe Arbeitsanforderungen. Im Modell wirken sie über den Pfad der Arbeitsmotivation. Der Pfad erklärt, wie z.B. Arbeitsressourcen das Arbeitsengagement vorhersagen. Das wirkt positiv auf Arbeit, Organisation und, wie wir annehmen, auf das Erleben von Flowerleben in der Arbeit und im Team.

Für Gestaltungsansätze wie die Gefährdungsbeurteilung, ist das Modell besonders interessant. Risiken und Ressourcen, beides ist gestaltbar. Wichtig dabei bleibt, dass tatsächlich umgesetzt wird, was sich verbessern soll.

Arbeitsbedingungen dort wirksam zu verbessern, wo es nötig und aus Sicht der Beschäftigten notwendig ist, das ist das Ziel. Das Modell hilft dabei, Wege und Wirkungen zu gestalten, zu erklären und Zusammenhänge zu messen.


Es gibt verschiedene Gefährdungsbeurteilungen. Die psychische Gefährdungsbeurteilung ist seit 1996, erneuert 2013, im Arbeitsschutzgesetz verankert. Sie ist Teil der Europäischen Arbeits-
gesetzgebung und gehört in 11 EU-Ländern zur Nationalen Arbeitsschutzstrategie, auch in Deutschland. In der DIN EN ISO 10075 sind Richtlinien zur Arbeitsgestaltung psychischer Belastungen standardisiert.


        Das Arbeitsanforderungs-Arbeitsressourcen-Modell (JD-R) kombiniert mit dem Psychosozialen Sicherheitsklima (Bakker & Demerouti, 2007; Dollard 2012).


Forschung zeigen

„Im Focus: WIR!“ ist besonders, denn WIR beforschen UNS und führen nicht nur ein Projekt durch. Ganz konkret und intensiv beforschen wir drei Aspekte: Flowerleben in der Arbeit, Organisationsbereitschaft für psychische Gesundheit und Implementierungsqualität.

Flowerleben in der Arbeit

Flowerleben ist, wenn sich das Tun einfach gut anfühlt, wir optimal beansprucht sind, völlig aufgehen in der Arbeit und die Zeit verfliegt. Dann sind Anforderungen und Fähigkeiten in Balance, Ziele und Feedback klar und wir erleben Kontrolle in der Tätigkeit.

Wer Flow regelmäßig erlebt, arbeitet produktiver und zufriedener, toleriert besser Stress und lebt gesünder, das zeigt die Flowforschung. Wesentlich dafür sind gut gestaltete Arbeitsbedingungen. Denn wie Arbeit wirkt, entscheidet vor allem die Arbeitssituation. Flowerleben ist auch ein Teil des Arbeitsengagements und gehört zu den Arbeitsressourcen, die Gesundheit und Leistungskraft stärken.

Umgekehrt heißt das, wir können Flowerleben gezielt fördern, z.B. indem wir die psychosozialen Arbeitsbedingungen wirksam verbessern, soziale Unterstützung praktizieren, Führung authentisch ist und vieles mehr. Flow wirkt zudem ansteckend und kann im Team erlebt werden.

Wir fragen uns, welche Effekte die Gefährdungsbeurteilung auf das Flowerleben hat und welche Faktoren dabei noch einflussreich sind.

Die Bereitschaft der Organisation sich mit psychischer Arbeitsgesundheit auseinanderzusetzen

Die Bereitschaft von Organisation/ Management sich mit psychischer Gesundheit auseinanderzusetzen, wird psychosoziales Sicherheitsklima genannt. Es gibt an, in welchem Maß die Unternehmensführung soziale Strukturen, Standards und Ressourcen bereitstellt, damit Beschäftigte die psychosozialen Anforderungen bewältigen können.

Ist die psychosoziale Sicherheit gut, dann sind Arbeitsressourcen und Arbeitsanforderungen eher im Gleichgewicht. Das wirkt positiv auf Wohlbefinden, Arbeitsleistung und Gesundheit. Negative Ausprägungen hingegen riskieren die Gesundheit der Beschäftigten.

Das heißt, das Organisationsklima für psychologische Sicherheit sagt zuverlässig voraus, wie hoch das Risiko der Beschäftigten ist für Fehlbelastungen und für Depressionen. Daher gilt das psychosoziale Sicherheitsklima als Leitindikator für die Beschäftigtengesundheit. Es wird über drei Risiko-Level erfasst.

Das psychosoziale Sicherheitsklima wird zudem als Änderungsbereitschaft verstanden. Es hängt eng mit Implementierungserfolgen von Projekten zusammen, wie z.B. unserem "Im Focus: WIR!". Das heißt, ändert sich die Bereitschaft der Führung auf die psychische Beschäftigtengesundheit zu achten, dann ändern sich auch die Arbeitsbedingungen. Es sagt also voraus, wie die Arbeitssituation zukünftig gestaltet sein wird. Längsschnittstudien legen einen kausalen Zusammenhang nahe.

Das Konzept wurde 2010 in Australien entwickelt und 2019 in einem Forschungsprojekt der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin auf Deutschland übertragen. Für "Im Focus: WIR!" ist es ein wichtiges Forschunsgthema.

Das Organisationsklima ist dem Anforderungs-Ressourcen-Modell vorangestellt und zeigt, wie einflussreich es ist.

Wir fragen uns, inwiefern sich das bestehende psychosoziale Sicherheitsklima an der Universität verändert durch die Interventionen, die wir planen.

Implementieren von Verbesserungen

Bekannt ist, dass das Umsetzungsniveau der psychosozialen Gefährdungsbeurteilung in Deutschland recht schwach ist. Laut Arbeitsschutzgesetz sind alle Arbeitgeber verpflichtet, sie durchzuführen. Eine knappe Mehrheit startet damit, befragt die Beschäftigten, legt ggfs. Verbesserungen fest und bleibt dann doch unterwegs liegen. Viele, zu viele angefangene Prozesse versanden. Weniger als ein Drittel derer, die starteten, kommen ans Ziel.

Warum das so ist? Darüber wird mehr gemutmaßt als gewusst. Erste Forschungsprojekte untersuchen, worin diese Umsetzungslücke besteht, was hilft, sie zu schließen und wie genau das gehen könnte.

Das ist auch unser Ziel. Wir nutzen dafür ein Konzept von Schweizer Organisationspsychologen, übertragen es auf uns und passen an, wo es sich als sinnvoll erweist.

Wir fragen uns, was für wen unter welchen Umständen wirkt und warum das so ist. Dabei schauen wir auf beides, das Moderationsverfahren und den Implementierungsprozess.

                          Bewertungsmodell zur Implementierung komplexer, organisationaler Gesundheitsinterventionen (Fridrich, Jenny & Bauer, 2015).

Quellen:
Bakker AB, Demerouti E (2007). The job demands-resources model: state of the art. JManage Psychol 22:309-328.
Dollard, MF & Baker, AB (2010). Psychosocial safety climate as a precursor to conducive work environments, psychological health problems, and employee engagement. Journal of Occupational and Organizational Psychology, 83(3), 579-599.
Fridrich A, Jenny GJ, Bauer GF (2015). The Context, Process, and Outcome Evaluation Model for Organisational Health Interventions. BioMed Research International. DOI 10.1155/2015/414832


Unterstützen Sie unsere Forschung


Implementationsforschung schaut vorher auf Einflussfaktoren, damit es nachher gelingt. Dem Vorgehen folgten auch wir und viele von Ihnen haben uns dabei unterstützt – in Fokusgruppen, durch Einzelgespräche und durch die Analyse von Dokumenten/Berichten zum Organisationsgeschehen an der UzL. Das hat das Projekt wachsen lassen zu dem, was es jetzt ist – es ist nicht fertig, aber auf dem Weg und es darf sich weiterhin ändern, damit es für uns alle gut passt.

Wir werden das Umsetzen intensiv begleiten und wissenschaftlich beforschen. Wir freuen uns, wenn wir dafür im Projektverlauf wieder auf Sie zählen können.

Es wird immer wieder Fragen geben, die nur Sie beantworten können. Deshalb planen wir zu bestimmten Zeitpunkten Einzel- und Gruppeninterviews. Wir sind sicher, Sie werden sich wieder aktiv daran beteiligen! Jeder ist willkommen!

Und jeder, der mitwirkt hilft, Arbeitsgesundheit für uns alle besser zu gestalten.

Universität zu Lübeck
Zentrale Einrichtung Prävention und
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Email: gesundarbeiten(at)uni-luebeck.de